Blumiges Melle: Insektenschutz durch mehrjährige Blühwiesen
ein Artenschutzprojekt mit Aspekten der Umweltbildung
Das Ziel des Projektes „Blumiges-Melle.de“ ist es, in Melle (Osnabrücker Land) und Umgebung verstärkt Nahrungs- und Überwinterungshilfen für Insekten zu schaffen. Die Nahrungssituation beispielsweise vieler Honig- und Wildbienenarten hat sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Insbesondere der Einsatz von Pestiziden und die Förderung von Monokulturen in der Landwirtschaft sind hierfür verantwortlich. Zudem stehen in einer oftmals flurbereinigten Umgebung nur wenige Überwinterungs- bzw. Bruthilfen zur Verfügung (vgl. Easac 2015, auch: Krahnstöver & Polaczek 2017, Sparmann 2017).
Ein bedeutendes Gefährdungsmoment ist die mangelnde Achtsamkeit durch den Menschen sowie eine Priorisierung ökonomischer Rahmenbedingungen. Dieses wird deutlich durch einen hohen Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie landwirtschaftliche Nutzungsmuster, welche sich durch eine zunehmende Intensivierung und Technisierung der Bodenbearbeitung ausdrücken (vgl. Wolf 2013).
Insekten aber genießen eine besondere Position in der Nahrungskette und sind das wesentliche Bestäubungsmedium in der Natur. Ohne Insekten reduziert sich insgesamt die heimische Artenvielfalt drastisch, mit schwerwiegenden Folgen für Mensch und Tier. Medial bekannt ist insbesondere das Bienensterben. In einer von Greenpeace und der Universität
Exeter publizierten Studie (2013) wird hervorgehoben, dass sich der Bienenbestand in Mitteleuropa seit 1985 um etwa 25% reduziert hat (vgl. auch Woodcock et al. 2016). In kleinräumigen Studien wurde teilweise ein Rückgang von 80% der Insektenpopulation innerhalb der letzten 30 Jahre festgestellt (vgl. auch Sparmann 2017).
„Die Schwierigkeit, Tierbestäubung exakt zu bewerten, ergibt sich aus der Tatsache, dass ihr Beitrag nicht einfach nur in der Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen besteht. Durch eine verbesserte Fruchterzeugung bei Wildpflanzen steigt das Nahrungsangebot für viele Insekten, Vögel, Säugetiere und Fische. Dadurch wird ein direkter Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität geleistet. Durch den gleichzeitigen Beitrag zur Erhaltung der Pflanzenproduktivität und Vegetation werden außerdem verschiedenste Ökosystemdienstleistungen unterstützt, darunter Hochwasser- und Erosionsschutz, Klimaregulierung, Wasserreinigung, Stickstofffixierung und Kohlenstoffbindung“
(Greenpeace und Universität Exeter 2013, S. 19 nehmen Bezug auf Kremen et al. 2007).
Gemäß einer Anfrage beim Niedersächsischen Landtag (Niedersächsischer Landtag 2014) werden in der Niedersächsischen „Roten Liste“ 341 Wildbienenarten geführt.
In Bezug auf die Wildbienen werden hier exemplarisch folgende Arten genannt, welche im Landkreis Osnabrück vorkommen, und bereits auf der „Roten Liste“ stehen:
- Anthidium strigatum (Kleine Harzbiene)
- Osmia adunca (Glänzende Natternkopf-Mauerbiene)
- Colletes daviesanu (Gemeine Seidenbiene)
- Lasioglossum calceatum (Gemeine Furchenbiene)
- Megachile versicolor (Gemeine Blattschneiderbiene)
Das vorrangige Ziel des Projektes ist zunächst ein Ziel des Artenschutzes. Wesentlich sollen die Lebensbedingungen von Insekten (insbesondere Bienen, Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge) verbessert werden. Dieses betrifft insbesondere die Versorgung mit Pollen und Nektar. Auch werden Überwinterungs- und Brutangebote geschaffen, da die Nachzucht von Wildbienen teilweise in Pflanzenstängeln nistet.
Ein weiteres, wichtiges Ziel ist es, durch einen steigenden Bestand von Insekten verschiedene Nahrungsketten in der Natur zu stabilisieren (z.B. für Singvögel, Frösche etc.).
Wichtig ist es zudem, das Bewusstsein der „allgemeinen Bevölkerung“ (abseits von Umweltschutz- oder kommunalen Einrichtungen) dahingehend zu schärfen, dass Schutzmaßnahmen sehr einfach umzusetzen sind.
Zu diesem Zwecke werden innerhalb des Projektes auf verschiedenen Flächen, welche teilweise zu diesem Zweck gepachtet werden, Blühwiesen angelegt. Bei dem Saatgut handelt es sich um qualitativ hochwertiges, regionales Saatgut.
Eine Besonderheit des Projektes ist ein kollaborativ-nachbarschaftlicher Ansatz. Unterschiedliche Gruppierungen (z.B. Vereine) sowie Bürgerinnen und Bürger werden animiert, Flächen zur Verfügung zu stellen. In gemeinschaftlichen Aktivitäten (z.B. mit Schulklassen, Vereinen oder Kindergärten) werden diese Flächen dann bearbeitet und das Saatgut ausgesät. Darüber hinaus werden große Schilder an den Blühwiesen aufgestellt, welche auf die Notwendigkeit und Besonderheiten der Areale aufmerksam machen.
Aktuell haben Meller Bürgerinnen und Bürger, Firmen, Vereine etc. 80.000 m² auf insgesamt 38 Flächen zur Verfügung gestellt, welche im Frühjahr 2017 von uns ehrenamtlich für eine Aussaat bearbeitet wurden (gepflügt, gefräst, eingesät, gewalzt (teilweise unterstützt durch Landwirte)).
Bereits jetzt liegen Angebote für weitere 37.000 m² (2018) vor. Das Projekt wird dann fortgeführt und ist prinzipiell langfristig angelegt.
Folgendes wurde bislang erreicht:
- Ehrenamtliche Bearbeitung von 38 Flächen (über 80.000 m²) (Pflügen, Grubbern, Einsäen, Walzen, teilweise unterstützt durch Landwirte)
- Zusammenarbeit mit 5 Meller Schulen (Integration von über 200 SchülerInnen in das Projekt)
- Zusammenarbeit mit diversen Firmen, Vereinen, Kirchenkreisen etc. (Integration weiterer 250 Personen)
- Erhalt des „Meller innogy-Klimaschutzpreises 2017“
- Durchführung eines Infostandes sowie einer Blühwiesenparty
- Intensive Berichterstattung in der Lokalpresse (10 Artikel)
- Kontinuierliche Berichterstattung in einem Blog (http://blumiges-melle.de)
- Kostenlose Verteilung von 5000 Saatgutpäckchen
- Aufstellung von 40 Lehr- und Lernschildern
Durch die Aussaat eines mehrjährigen Saatgutes kann die Blühwiese auch über das Jahr 2017 hinaus einen Nutzen für Insekten bringen. Insbesondere die Steigerung des Nahrungsangebotes ist eine wichtige Auswirkung.
Elementar wird zudem sein, dass Pflanzenstängel auf Einzelstreifen nicht gemäht werden. Diese stellen nach etwa 2-3 Jahren wichtige Nist- und Bruthilfen für unterschiedliche Insektenarten dar. Jene Personen, welche eigene Flächen zur Verfügung stellen, haben sich bereit erklärt, dass auf Teilstreifen Pflanzen nicht gemäht werden. Über die Lehr- und Lernschilder wird zudem darauf aufmerksam gemacht, dass eine solche Blumenwiese nicht zu betreten ist. Gleichzeitig werden über Flyer und Lehr- und Lernschilder Hinweise gegeben, wie Insekten unterstützt werden können.
Wir bedanken uns ganz herzlich für die Unterstützung durch die Tierschutzstiftung Wolfgang Bösche. Die finanzielle Förderung hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Lebensbedingungen von Insekten im Projektgebiet verbessert haben und noch weiter verbessern werden.
Durch eine weitere, großzügige Geldspende der Tierschutz-Stiftung Wolfgang Bösche konnte im Jahr 2017 für das Projekt „Blumiges Melle“ ein neuer Balkenmäher angeschafft werden.
Bild: Ganz rechts der durch die Tierschutz-Stiftung Wolfgang Bösche finanzierte Balkenmäher (an einem 13 PS-Motoreinachser)
Mittels Balkenmähern ist es auf schonende Art und Weise möglich, auch große Blühwiesenareale zu mähen. Eine Mahd und Extensivierung ist bei Wildblumenarealen existentiell, damit sich bei mehrjährigem Saatgut auch im Folgejahr das gesamte Artenspektrum durchsetzt.
Auch das Folgeprojekt „Blumiger Landkreis Osnabrück“ (http://blumiger-lkos.de) wird durch Herrn Bösche großzügig unterstützt. Die 2018 erhaltenen Finanzmittel werden für regionales, mehrjähriges Saatgut sowie Nisthilfen für Wildbienen eingesetzt. Geplant ist hier, diese Nisthilfen gemeinsam mit Kindern einer Grundschule aus dem Landkreis Osnabrück zu erstellen, um auch dem Faktor der Umweltbildung gerecht zu werden.
Die gUG Umweltschutz und Lebenshilfe bedankt sich ganz herzlich für die beachtliche Unterstützung des Insektenschutzes.
Auszeichnung: „Durch Tierschutz-Stiftung Wolfgang Bösche geförderte Projekte erhalten überregionale Auszeichnungen“
Die von der Tierschutz-Stiftung Wolfgang Bösche geförderten Projekte „Blumiges Melle“ und „Blumiger Landkreis Osnabrück“
maßgeblich geförderten Projekte haben kürzlich den „Niedersächsischen Umweltpreis 2018“ (Platz 3) sowie die Auszeichnung
„Deutschlands Naturwunder 2018 – Letzte Refugien für Insekten“ erhalten.
Im Rahmen der Preisverleihung des Niedersächsischen Umweltpreises überreichte Umweltminister Olaf Lies die Auszeichnung an Projektleiter Kai Behncke.
https://www.bingo-umweltstiftung.de/nano.cms/de/Umweltpreis
Als „Deutschlands Naturwunder 2018 – Letzte Refugien für Insekten“ wurde eine von der gUG Umweltschutz und Lebenshilfe
sowie der Grundschule Westerhausen angelegte Blühwiese innerhalb des Projektes „Blumiges Melle“ gewählt.
https://www.sielmann-stiftung.de/artikel/blumenwiese-in-niedersachsen-ist-deutschlands-naturwunder-2018/
Über 37 % der nahezu 20.000 abgegebenen Stimmen fielen auf dieses Refugium, welches durch die Tiere eines Gnadenhofes (Gnadenhof Brödel Melle) schonend gepflegt wird.
Kai Behncke:
„Ausdrücklich möchte ich mich bei der Tierschutz-Stiftung Wolfgang Bösche bedanken. Durch die großzügige Unterstützung konnten wir z.B. regionales Saatgut erwerben und auch die maschinelle Ausstattung verbessern. Die Ausdehnung des Projektes wäre ohne die Stiftung in dieser Form nicht möglich gewesen.“
Quellen:
Easac (Ecosystem Services, Agriculture and Neonicotinoid) 2015: Ecosystem services, agriculture and neonicotinoids. EASAC policy report 26, Halle
Greenpeace Research Laboratories & Universität Exeter (2013). Bye Bye Biene. Das Bienensterben und die Risiken für die Landwirtschaft in Europa. Hamburg
Krahnstöver, M.; Polaczek, B. (2017): Literaturstudie zum Thema Bienengesundheit: Geht es den Bienen in Städten beziehungsweise stadtnahen Gebieten besser als auf dem Land? https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/tierschutz/Bienenstudie_2017.pdf
Kremen, C.; Williams, N.; Aizen, M.; Gemmill-Herren, B.; LeBuhn, G.; Minckley, R.; Packer, L.; Potts, S.; Roulston, T.; Steffan-Dewenter, I.; Vazquez D. P.; Winfree, R.; Adams, L.; Crone, E.; Greenleaf, S.; Keith, T.; Klein, A.-M.; Regetz, J.; Ricketts, T. (2007): Pollination and other ecosystem services produced by mobile organisms: a conceptual framework for the effects of landuse change. In: Ecology Letters, 10. S. 299-314.
Lautenbach, S.; Seppelt, R.; Liebscher, J. & Dormann, C. F. (2012): Spatial and Temporal Trends of Global Pollination Benefit. In: PLoS ONE, 7
Niedersächsischer Landtag (2014): Welche in Niedersachsen vorkommenden Tierarten stehen unter Naturschutz. Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz,12.9.2014
Sparmann, A. (2017): Tatort: Wiese. Pestizide und das Ende unserer Insekten. http://www.geo.de/magazine/geo-magazin/15815-rtkl-tatort-wiese-pestizide-und-das-ende-unserer-insekten
Urban, M. (2015): Accelerating extinction risk from climate change. In: Science. 348, 6234. S. 571-573
Wolf, R. (2013): Natur- und Artenschutzschutzrecht, in: Kluth, W. & Smeddinck, U. (Hrsg.): Umweltrecht. Wiesbaden. S. 249-308
Woodcock, B. A.; Isaac, N. J. B.; Bullock, J. M.; Roy, D.; Garthwaite D.; Crowe, A.; Pywell, A. (2016): Impacts of neonicotinoid use on long-term population changes in wild bees in England. Nat. Commun. 7:12459 doi: 10.1038/ncomms12459.